Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Sonstiges |
Antragsteller*in: | LAG Natur- und Umweltschutz/ Ökologie (dort beschlossen am: 19.10.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.11.2021, 16:13 |
N 1: Naturschutz im Dithmarscher Speicherkoog den Vorrang geben
Titel
Antragstext
Der Landesverband Schleswig-Holstein von Bündnis 90/Die Grünen beschließt:
- In den im Dithmarscher Speicherkoog gelegenen Schutzgebieten sollen
unverzüglich und in deutlich größerem Umfang als bisher geeignete
Maßnahmen und Kontrollen durchgeführt werden, um Verstöße gegen geltendes
Naturschutzrecht zukünftig umfassend zu verhindern und Beeinträchtigungen
für die Flora und Fauna zu unterbinden.
- Wir fordern für den Speicherkoog Dithmarschen eine professionelle,
hauptamtliche Schutzgebietsbetreuung. Hierfür ist eine ausreichende
Stellenzahl zu schaffen, die insbesondere touristische Stoßzeiten und
Urlaubsvertretung berücksichtigt. Die Schutzgebietsbetreuung muss mit
ordnungsrechtlichen Befugnissen ausgestattet sein, um den Natur- und
Artenschutz gegenüber der touristischen, aber auch anderen Nutzungen
durchzusetzen.
- Den Bau von Wohnmobilstellplätzen, einer Ferienhaussiedlung und weiteren
Übernachtungsmöglichkeiten in diesem schon jetzt durch touristische
Nutzung zunehmend beeinträchtigten Gebiet lehnen wir ab. Das
Kommunalunternehmen Tourismusförderung Speicherkoog wird aufgefordert, auf
weitere Planungs- und Entwicklungsschritte für den Ausbau touristischer
Infrastruktur im gesamten Speicherkoog Dithmarschen zu verzichten. Wir
fordern Land, Kreis und Kommunen auf, in eine Neuplanung einzutreten, um
eine innovative, klimaschonende und zukunftsfähige, Natur verbessernde
statt Natur verbrauchende touristische Infrastruktur für Meldorf und die
Umgebung zu schaffen.
- Der Kreis Dithmarschen und das Land Schleswig-Holstein werden
aufgefordert, künftig dem europarechtlich vorgeschriebenen
Verbesserungsgebot für EU-Vogelschutzgebiete im Speicherkoog Dithmarschen
nachzukommen und zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel das LIFE
Limosa Projekt in dem Gebiet fortzusetzen, zumindest aber die Maßnahmen
aus dem LIFE-Limosa-Projekt Instand zu halten und die Empfehlungen aus dem
Projekt konsequent umzusetzen. Dazu gehört insbesondere für das gesamte
Gebiet des Dithmarscher Speicherkoogs eine möglichst weitgehende und
ganzjährige Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h.
- Das Land Schleswig-Holstein wird aufgefordert, keine finanzielle Förderung
für bestehende oder künftige kommerzielle touristische Angebote innerhalb
oder unmittelbar angrenzend an die im Speicherkoog gelegenen Schutzgebiete
zu gewähren. Ausgenommen hiervon sind ausdrücklich nichtkommerzielle
Angebote zur Umweltbildung, solange diese mit den Zielen der Schutzgebiete
im Speicherkoog im Einklang stehen.
- Bei Abwägungen haben Natur- und Artenschutz oberste Priorität und somit
mehr Gewicht als pragmatische oder wirtschaftliche Aspekte. Bei der
Verpachtung der im Rahmen des Vertragsnaturschutzes landwirtschaftlich
genutzten Flächen im Speicherkoog ist sicherzustellen, dass die Vergabe
der Pachtverträge mit größtmöglicher Transparenz erfolgt. Bedingung für
den Erhalt eines Pachtvertrags muss sein, dass die naturschutzfachlichen
Vorgaben für dieses Gebiet vollständig eingehalten werden.
- Wir fordern ein Verbot des Kitesurfens in der Meldorfer Bucht in Höhe des
Speicherkoogs.
Begründung
Der Tourismus ist eine wichtige und weiter wachsende Branche in Schleswig-Holstein, die wir im Sinne des Klimaschutzes und zur Vermeidung von Fernreisen fördern und naturverträglich ausbauen wollen. Natur, Landschaft und Artenvielfalt sind die unabdingbaren Grundlagen für einen regionstypischen und nachhaltigen Tourismus. Damit der Tourismus nicht seine eigenen Grundlagen zerstört, müssen hochwertige Naturgebiete mit angepassten Konzepten in Wert gesetzt werden. Der Neubau von touristischer Infrastruktur innerhalb von Schutzgebieten darf nur erfolgen, wenn auch das Schutzgebiet davon profitiert.
Der Dithmarscher Speicherkoog in der Meldorfer Bucht ist mit zwei Naturschutzgebieten „Kronenloch“ und „Wöhrdener Loch“, die zugleich FFH-Gebiet sind, Teil eines europäischen Vogelschutzgebiets (NATURA 2000). Der Speicherkoog hat für Brut- und Rastvögel internationale Bedeutung und ist Lebensraum mehrerer vom Aussterben bedrohter Vogelarten.
Die Brutbestände im nördlichen Dithmarscher Speicherkoog gehen seit Jahrzehnten zurück, insbesondere in den letzten Jahren. Der Speicherkoog Dithmarschen ist das letzte Gebiet Schleswig-Holsteins und damit wohl ganz Deutschlands, in dem der Kampfläufer noch erfolgreich brütet. Wir möchten auch künftig noch Kampfläufer im Speicherkoog balzen und ihre Jungen erfolgreich aufziehen sehen (https://youtu.be/4lCga1Nv59E).
In dem Vogelschutzgebiet findet bereits jetzt ein expandierender, ungezügelter Tourismus mit fatalen Folgen für den Artenschutz statt. Bei schönem Wetter gleicht der Speicherkoog stellenweise einem Freizeitpark. Massive Störungen gehen insbesondere von Wassersportlern, insbesondere von Kitsurfern aus. Nicht nur die Kites oberhalb der Deichlinie führen zu Störungen (so auch das NABU Positionspapier „Kitesurfen im Wattenmeer“ konkret für die Meldorfer Bucht). Insbesondere die Wassersportler missachten Parkverbote und parken in Deichnähe ab der Parkplätze, um ihre Wassersportgeräte nicht weit tragen zu müssen.
Die Gemeinden Meldorf, Elpersbüttel und Nordermeldorf planen u.a. einen zusätzlichen Wohnmobilstellplatz und eine Ferienhaussiedlung. Dadurch würden zusätzliche Betten für 300-400 Übernachtungsgäste in diesem hoch sensiblen Gebiet geschaffen. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zu den angrenzenden hochsensiblen Natur- und Vogelschutzgebieten ist von einer weiteren erheblichen Verschlechterung der bestehenden naturschutzfachlichen Standards in diesen Gebieten auszugehen. Statt eines quantitativen Ausbaus ist die vorhandene touristische Infrastruktur qualitativ zu verbessern.
Der NABU LV SH als betreuender Verband ist allein mit ehrenamtlich tätigen und überwiegend fachfremden Helfern bereits jetzt – ohne weitere Übernachtungsangebote – nicht in der Lage, die Natur ausreichend vor den Auswirkungen der massiven touristischen Nutzung zu schützen. Eine hauptamtliche Schutzgebietsbetreuung wie in anderen Gebieten ist hier dringend erforderlich. Dadurch würden auch die durchaus vorhandenen Angebote für Umweltbildung in den Fokus rücken.
Ein Lichtblick in den vergangenen Jahren war und ist die Arbeit der Stiftung Naturschutz im Rahmen des LIFE Limosa Projekts, welches jedoch leider Ende 2022 enden wird. Eine Fortsetzung des Projekts und bessere Einbindung der Projektleitung bei künftigen Entscheidungen wäre ein großer Gewinn und ist daher geboten.
Wir haben in Schleswig-Holstein wegen der Einmaligkeit des Wattenmeers, der angrenzenden Naturschutzköge und deren Zusammenspiel eine ganz besondere Verantwortung. Es ist höchste Zeit, diese Ökosysteme konsequenter zu schützen, den Tieren hier die erforderliche Ruhe und Ungestörtheit zu gewähren und kommerzielle Interessen hintenan zu stellen – erst recht in einem EU-Vogelschutzgebiet! An unseren Schutzgebieten darf nicht nur Schutzgebiet dran stehen. Der effektive Natur- und Artenschutz muss hier oberste Priorität haben und darf durch kommerzielle Nutzungen zu keiner Zeit gefährdet werden.
Unterstützer*innen
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Tanja Matthies (KV Dithmarschen)
- Rolf Martens (OV Region Heide)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Stephan Wiese (KV Lübeck)
- Holger Dräger (KV Dithmarschen)
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Katrin Stange (KV Pinneberg)
- Petra Kärgel (KV Pinneberg)
- Pamela Masou (KV Pinneberg)
- Ralf Sonntag (KV Pinneberg)
- Gabrielle Piachnow-Schmidt (KV Steinburg)
- Claudia Jürgens (KV Kiel)
- Sabine Loof (KV Pinneberg)
- Kornelia Mrowitzky (KV Herzogtum Lauenburg)
- Ulrike Täck (KV Segeberg)
- Ole Eggers (KV Herzogtum Lauenburg)
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